Ein Thema mit dem sich Einsteiger in der Fotografie an einem bestimmten Punkt unweigerlich beschäftigen werden ist die sogenannte Langzeitbelichtung. Da es gerade für Anfänger nicht immer leicht ist die Zusammenhänge zu verstehen um selbst zu schönen Ergebnissen zu kommen, versuche ich hier euch einen möglichst leichten Einstieg zum Thema Langzeitbelichtung zu zeigen. Fragen und Anregungen wie immer in den Kommentaren.
Als Langzeitbelichtung bezeichnet man eine Fotografie, welche über einen längeren Zeitraum belichtet wurde. Es existiert keine klare Definitionsgrenze ab wann man von einer Langzeitbelichtung spricht, jedoch kann als Richtwert eine Belichtungszeit von etwa einer Sekunde und aufwärts als solche angesehen werden.
Prinzipiell ist jede Kamera für eine Langzeitbelichtung geeignet, solange die Belichtungszeit manuell eingestellt werden kann. In der Regel bieten Spiegelreflex-, System- oder auch hochwertige Kompaktkameras diese Option. Genaue Angaben können der jeweiligen Bedienungsanleitung entnommen werden.
Mittels des AV, M oder TV Modus können Langzeitbelichtungen mit Belichtungszeiten bis zu 30 Sekunden durchgeführt werden, für längere Belichtungszeiten sollte der Bulb Modus bei System- oder Spiegelreflexkameras gewählt werden.
Bei Tageslicht und langen Belichtungszeiten trifft viel Licht auf den Sensor der Kamera, was ein stark überbelichtetes Bild bis hin zu einer rein weißen Fotografie zur Folge hat.
Für Aufnahmen mit Langzeitbelichtung bei Tageslicht wird daher in den meisten Fällen ein ND bzw. Graufilter benötigt, welcher die Intensität des auf den Sensor fallenden Lichtes verringert. Das Thema Filter habe ich hier schon einmal sehr ausführlich behandelt: Die wichtigsten Filter für Einsteiger in der digitalen Fotografie. Die Filterstärke muss dabei an die angestrebte Belichtungszeit angepasst werden: je länger die Belichtungszeit, desto stärker muss der Filter sein. Es können nach Bedarf auch verschiedene Filter kombiniert werden - was deren Stärke Licht zu absorbieren multipliziert. D.h. kombiniert man einen 8x Filter mit einem 64x Filter erhält man eine "Filterleistung" von 512x - das sollte man im Hinterkopf behalten!
Bei diffusen Lichtverhältnissen oder bei Dämmerlicht kann bereits ein Polfilter ausreichen, bei Nachtaufnahmen mit langer Belichtungszeit wird meist kein Filter benötigt. Ich verwendet übrigens Hoya Polfilter, darüber könnt ihr hier mehr erfahren.
Zur unverzichtbaren Ausrüstung für langzeitbelichtete Aufnahmen gehören vor allem Stativ und ein Fernauslöser. Bei einer Langzeitbelichtung führen nämlich jegliche Bewegungen der Kamera, zum Beispiel durch das Halten in der Hand oder die Betätigung des Auslösers, zu einem unscharfen Bild. Stativ und Fernauslöser müssen in Abstimmung mit der verwendeten Kamera erworben werden und sind in vielfältigen Ausführungen erhältlich, Fernauslöser beispielsweise auch mit Funk-, Infrarot oder Kabelsystem.
Man kann für den Anfang aber auch einfach den Selbstauslöser der Kamera nutzen - stellt diesen am besten auf eine Verzögerung von 10 Sekunden oder mehr und ihr werdet in der Regel auch so zu einem wackelfreien Bild kommen.
Wie üblich stehen am Beginn einer Fotografie die Wahl eines Motives, Gedanken zur Bildkomposition und ein geeigneter Standpunkt der Kamera. An letzterem sollte das Objektiv aufgestellt werden und die Kamera entsprechend ausgerichtet werden.
Konnte der gewünschte Ausschnitt eingefangen werden, empfiehlt es sich einige Testbilder zu machen, jedoch ohne einen Filter zu verwenden und mit deaktiviertem Bildstabilisator. Eine digitale Bildstabilisation erzeugt bei Langzeitbelichtung sehr leicht unscharfe Bilder.
Es sollte nun der Fokus nach Ihrer bevorzugten Methode (Autofokus, Liveview Fokus etc.) eingestellt werden, um ein möglichst scharfes Bild zu erhalten. Hierbei sollte bedacht werden, dass eine automatische Fokussierung bei aufgesetztem Filter nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert. Daher sollten der oder die Filter erst nach der automatischen Fokussierung an der Kamera angebracht werden.
Für die Abstimmung der Kameraeinstellung empfiehlt sich zunächst ein Testbild. Die Einstellungen sind natürlich immer von der Situation abhängig - wie hell ist es? Welchen Filter habe drauf? Versucht es einfach mal mit ein paar Sekunden Belichtungszeit und einem ISO Wert von z.B. 800 und hantelt euch dann einfach hin zu den richtigen Belichtungseinstellungen mithilfe von Blende bzw. Belichtungszeit.
Mit freiem Auge und an Hand des Histogramms kann der Belichtungsgrad eingeschätzt und optimiert werden. Nach der Expose to the right Methode sollte sich am rechten Ende des Histogramms kein Helligkeitspeak befinden, da sonst eine Überbelichtung vorläge und Bildinformationen verloren gehen würden. Optimal ist eine Helligkeitsverteilung bis kurz vor den Rand des Histogramms ohne den genannten Peak am Ende.
Erreicht werden kann dieses optimale Histogramm durch Verändern der Belichtungszeit und dem Blende-Wert, was oftmals einige Versuche in Anspruch nehmen kann. Als grobe Orientierung kann man sich zunutze machen, dass ein Balken im Histogramm (Abschnitt zwischen zwei Linien) etwa einer Verdopplung bzw. Halbierung der Belichtungszeit entspricht. Der ISO-Wert kann beim Testbild in der Regel so belassen werden.
Sobald du eine gute Abstimmung von Belichtungszeit und Blende erreicht hast, gilt es die Bildqualität zu optimieren. Dies gelingt durch einen möglichst niedrigen ISO-Wert, jedoch muss für jede ISO-Stufe, die du heruntergehest, die Belichtungszeit verdoppelt werden; die Blende bleibt in diesem Fall auf dem voreingestellten Wert. Durch diese Berechnung kann die zuvor ermittelte optimale Belichtung beibehalten werden bei gleichzeitig hoher Bildqualität.
Für das endgültige Foto ist der RAW Modus empfehlenswert, da somit eine Nachbearbeitung am PC erleichtert wird (bspw. Weißabgleich) und Farbveränderungen durch die verwendeten Filter ausgeglichen werden können. Meine grundsätzliche Empfehlung lautet, am besten immer RAW zu verwenden! ;-)
Beim Einfangen von Wolken kann die Belichtungszeit zwei verschiedene Effekte hervorrufen. Kurze Belichtungszeiten (bspw. 1 Minute) erzeugen einen Bewegungseffekt, lange Belichtungszeiten (mehr als 8 Minuten) erzeugen einen gleichmäßig wolkenbedeckten Himmel und vereinfachen das Bild somit.
Spielt Wasser im Motiv eine Rolle so kann sich der gleiche Effekt wie beim Fotografieren der Wolken zunutze gemacht werden. Durch unterschiedlich lange Belichtungszeit erscheint das Wasser in dem finalen Bild vereinfacht bis hin zu einem surrealen, abstrakten Aussehen. Somit lässt sich die Aufmerksamkeit weg von sonst komplexen Wasserspielen hin zu dem gewünschten Bildinhalt lenken.
Werden Aufnahmen von stark frequentierten Orten (Städte, Touristenattraktionen, etc.) angestrebt, so kann eine sehr lange Belichtungszeit (> 10 Minuten) den Eindruck eines menschenleeren Platzes im finalen Bild erzeugen. Ein Beispiel hierfür ist z.B. eines meiner Fotos vom Brandenburger Tor in Berlin:
Gehören Autos zum gewählten Motiv, so kann durch eine größere Belichtungszeit ein Effekt erzielt werden, bei dem die Lichter der Autos als Leuchtspuren eingefangen werden und das Bild so ein hohes Maß an Dynamik gewinnt. Empfohlene Einstellung: ISO 100, Blende 11, Belichtungszeit 30 Sekunden - natürlich ist es aber auch hier von der jeweiligen Lichtsitation abhängig. Sollte das Bild zu dunkel werden, versucht es einfach mit einer größeren Blende (also eine kleinere Blendenzahl).
Abhängig von der gewünschten Bildaussage sind unterschiedliche Vorgehensweisen erforderlich, wenn der Sternenhimmel abgebildet werden soll. In beiden Fällen ist ein Standort mit geringer Lichtverschmutzung (abseits von Städten oder stark beleuchteten Plätzen) notwendig. Auf dieser interaktiven Karte solltet ihr einen geeigneten Ort finden können.
Für eine möglichst wahrnehmungsgetreue Darstellung, sollte versucht werden die Leuchtspurbildung der Sterne zu minimieren. Dafür empfehlen sich folgende Einstellungen: ISO 3200, Blende 4, Belichtungszeit 30 Sekunden.
Soll allerdings gerade die Drehung der Erde in den Leuchtspuren der Sterne eingefangen werden (wie im Beispielbild zu sehen), werden wesentlich längere Belichtungszeiten benötigt. Mindestens 30 Minuten oder bis hin zu 3 Stunden sind für ein solches Bild des Sternenhimmels notwendig.
Mit etwas Kreativität und dem richtigen Setup lassen sich vielfältige Motive in der Nacht mit Hilfe einer kleinen Lichtquelle selbst erzeugen. Benötigt wird dafür ein dunkler Ort mit einer entfernten Lichtquelle im Hintergrund. Diese Lichtquelle muss zunächst fokussiert werden und anschließend mittels manuellem Fokus der eigentliche Ort des geplanten Motivs im Vordergrund in den Fokus genommen werden. Nach Betätigen des Auslösers kann dann in der manuell fokussierten Ebene mit einer kleinen Lichtquelle (Wunderkerze, Taschenlampe, etc.) „gezeichnet“ werden. Durch permanente Bewegung erscheint der oder die Zeichnende dabei auch nicht auf dem finalen Bild. Als Kameraeinstellung eignen sich folgende Werte: ISO 100, Blende 11, Belichtungszeit 1 Minute.
1. Experimentiere bei deinen Kompositionen mit bewegten und unbewegten Objekten. Je nach Belichtungszeit wird so Dynamik erzeugt oder das Bild vereinfacht. Beispielsweise erzeugt ein Steg am Wasser zusammen mit den Wellen bei langer Belichtungszeit einen eher surrealen Effekt.
2. Ab einer Belichtungszeit von 10 Minuten nimmt das Bildrauschen stark zu, es empfiehlt sich nach Möglichkeit kürzere Belichtungszeiten zu verwenden. Auf alle Fälle solltet ihr einen Dunkelbildabzug bei längeren Belichtungszeiten machen. Wirf dazu einen einen Blick in die Bedienungsanleitung deiner Kamera.
3. Beim Fotografieren von Wasser kann man sich an folgende Daumenregel halten: Bei einer Belichtungszeit von etwa 0,3 Sekunden werden Wasserbewegungen wie Wellen dynamisch mit eingefangen, ab 5 Sekunden Belichtungszeit entsteht ein surrealer Eindruck mit weniger Details.
Bildernachweis:
© Startrails Langzeitbelichtung Nacht (koreafreund/Pixabay)
© Schweiz Gurnigel Langzeitbelichtung (theartofsounds2001/ Pixabay)